Wer wünscht sich nicht, bis ins hohe Alter fit und eigenständig zu sein? Diese Idealvorstellung vom Altern beschränkt sich nicht nur auf den Erhalt der
Beweglichkeit, der
Muskelmasse und der
körperlichen Aktivität. Auch der Erhalt der kognitiven Leistungsfähigkeit steht auf der Wunschliste alternder Menschen – weshalb sich ein Blick auf die sogenannten
Superager lohnt.
Welche Mechanismen dem Superaging zugrunde liegen, untersuchen derzeit mehrere Forschungsgruppen. Das Ziel besteht darin, biologische, verhaltensbezogene und umweltbedingte Faktoren zu identifizieren, auf deren Grundlage sich wirksame Maßnahmen zur Erhaltung kognitiver Funktionen und zur Förderung eines gesünderen Alterns in der breiten Bevölkerung entwickeln lassen.
Was macht einen Superager aus?
Eine Initiative, die sich diesen Fragen widmet, ist das
SuperAging-Programm der Northwestern University, Illinois, USA. Das seit 25 Jahren bestehende Programm definiert
Superager als Menschen im Alter von 80 Jahren oder älter, deren Gedächtnisleistung der Gedächtnisleistung von 20 bis 30 Jahre jüngeren Menschen entspricht oder diese sogar übertrifft.
Um als Superager zu gelten, müssen Personen in einem standardisierten Wortgedächtnistest mindestens 9 Punkte (von insgesamt 15) erreichen. Diese Punktzahl wird typischerweise von –Erwachsene in ihren Fünfzigern oder Sechzigern erzielt. Bei Personen über 80 Jahren liegt der Durchschnitt bei etwa 5 Wörtern. Darüber hinaus muss ihre Leistung in anderen kognitiven Bereichen mindestens altersgerecht sein.
Nur etwa 10 % der gesunden älteren Erwachsenen erfüllen diese strengen Kriterien, wie Sandra Weintraub, PhD und andere Kernmitglieder des Northwestern-Programms kürzlich in einem Artikel in der Fachzeitschrift
Alzheimer's & Dementia feststellten.
Maher arbeitet mit Superagern und sagte gegenüber Medscape Medical News: „Anekdotisch gesehen sind Superager bemerkenswert und einfach unglaublich unterhaltsam“, bemerkte sie. „Sie sind so voller Leben, und ihre Energie und Begeisterung sind ansteckend. Ihre Terminkalender sind vollgepackt mit Freiwilligenarbeit, Kursen, sozialen Verpflichtungen – einige arbeiten sogar noch. Es kann herausfordernd sein, sie im Laufe der Studie zu Terminen einzubestellen“, ergänzte Maher und fügte hinzu: „Während sich ein Großteil der Forschung zum kognitiven Altern darauf konzentriert, was bei älteren Erwachsenen schiefläuft, ermöglicht uns die Untersuchung von Superagern einen Einblick in das, was im alternden Gehirn gut laufen kann.“
Was zeigen Gehirnscans?
Tatsächlich zeigen sich in Gehirnscans erhebliche Unterschiede zwischen Superagern und ihren Altersgenossen. In der Regel weisen ältere Erwachsene im Vergleich zu jüngeren eine weit verbreitete Ausdünnung der Großhirnrinde auf. Superager hingegen behalten auch im hohen Alter eine Großhirnrindendicke, die mit der von Menschen mittleren Alters vergleichbar ist.
Insbesondere der vordere cinguläre Kortex (ACC) ist bei Superagern in der Regel dicker als bei jüngeren Erwachsenen. Dieser Bereich unterstützt die Aufmerksamkeit, Motivation und soziale Interaktion, was die Verhaltensmerkmale von dieser Menschen widerspiegelt, die oft von starken sozialen Bindungen und einer hohen Extraversion berichten.
Superager weisen eine „auffällige Erhaltung der zentralen Hirnareale auf, die für das episodische Gedächtnis zuständig sind, darunter Hippocampus, entorhinaler Kortex und cholinerges basales Vorderhirn“, erklärte Bryan Strange, MBBS, PhD, Direktor des Labors für klinische Neurowissenschaften an der Polytechnischen Universität Madrid, Spanien, gegenüber Medscape Medical News.
Seine Forschung zeigte, dass diese Gehirnregionen, die das Gedächtnis steuern, bei
Superagern im Vergleich zu Kontrollpersonen eine langsamere Atrophie aufwiesen. „Das bedeutet, dass die Unterschiede im Querschnitt nicht einfach durch größere Gedächtnisbereiche bei der Geburt erklärt werden können“, so Strange.
Sie bewegen sich schneller als ihre Altersgenossen
Ebenfalls auffallend ist mit Blick auf die Gehirnscans, dass Superager ein größeres Volumen in den Bereichen des Thalamus aufweisen, die an der Bewegung beteiligt sind, so Strange. „Das stach sofort ins Auge – und zunächst waren wir uns nicht sicher, wie das zu interpretieren ist“. Eine Analyse, die auf maschinellem Lernen beruhte und eine große Anzahl von Variablen zur Unterscheidung von Superagern und Kontrollpersonen umfasste, zeigte jedoch, dass einer der wichtigsten Prädiktoren die Bewegungsgeschwindigkeit war – Superager bewegen sich schneller als gleichaltrige Kontrollpersonen. Der zweite Hauptprädiktor sei interessanterweise die psychische Gesundheit, wobei Superager deutlich geringere Angst- und Depressionswerte aufwiesen, wie Strange feststellte.
Was die Neuropathologie offenbart
Einige Hinweise liefern auch postmortale Studien. Demnach weisen die Gehirne von Superagern eine höhere Dichte an Von-Economo-Neuronen auf, also Zellen, die mit der sozialen und emotionalen Verarbeitung in Verbindung stehen. Das betrifft insbesondere den vorderen cingulären Kortex.
Außerdem zeigen sich weniger neurofibrilläre Tangles, die für die Alzheimer-Krankheit charakteristischen Tau-Aggregate, sowie größere entorhinale Neuronen, die widerstandsfähiger gegen Neurodegeneration sind. Darüber hinaus zeigt sich in Gehirnen der Superager eine bessere Erhaltung des cholinergen Systems im basalen Vorderhirn, welches zuständig für Funktionen wie Aufmerksamkeit, Lernen und Gedächtnis ist. Die Untersuchungen zeigen außerdem eine verringerte mikrogliale Entzündung in der weißen Substanz.
Welche Fragen bleiben offen?
Obwohl das Wissen über die Besonderheiten der Superager stetig zunimmt, ist noch vieles ungeklärt. Werden Superager bereits mit besonderen Gehirnfunktionen geboren oder entwickeln sich diese Funktionen erst im Laufe der Zeit? Sind sie resistent gegen altersbedingten Gedächtnisverlust oder verfügen sie über Bewältigungsmechanismen, mit denen sie diesen Gedächtnisverlust besser ausgleichen können? „Ich wünschte, es gäbe eine einfache Antwort auf diese Frage – leider gibt es sie nicht“, sagte Maher.
Eine weitere wichtige Frage ist, welche Rolle die Genetik bei der Förderung der kognitiven Resilienz spielen. Maher merkte an, dass
Superager im Vergleich zu ihren Altersgenossen scheinbar kein besonders geringes Risiko haben, an
Alzheimer zu erkranken. „Die APOE-Allel-Profile sind bei
und kognitiv durchschnittlichen Kontrollpersonen ähnlich, und ersten Untersuchungen zufolge sind auch die polygenen Risiko-Scores für Alzheimer ähnlich“, stellte sie fest.
Strange ergänzt: „Trotz dieser Fülle an Informationen erreichte das Modell nur eine Genauigkeit der Unterscheidung von 66 %, was nicht besonders gut ist. Das lässt mich vermuten, dass es möglicherweise andere, insbesondere genetische Variablen gibt, welche die Genauigkeit der Unterscheidung verbessern würden“.
Weitere offene Fragen sind, ob gezielte Interventionen den Superaging-Prozess in der breiteren Bevölkerung reproduzieren könnten und ob soziale und psychologische Merkmale wie Geselligkeit und Engagement aktiv zur Erhaltung des Gedächtnisses im hohen Alter beitragen.
Die Messung von Aktivitätsmustern könnte weitere Erkenntnisse liefern
„Vermutlich gibt es verschiedene Wege, um ein Superager zu werden“, sagte Maher. Sie fügte hinzu, dass in laufenden Studien tragbare Sensoren (Wearables) eingesetzt werden, um das tägliche Verhalten zu messen. Diese Ansätze, so sagte sie, werden objektive Messungen von Schlaf- und Aktivitätsmustern liefern, die die selbst gemeldeten Daten ergänzen.
Strange sagte, es gebe veränderbare „Variablen, die optimiert werden könnten, um Menschen dabei zu helfen, den Status eines Superagers zu erreichen“. Er erläutert: „Dazu gehören ein aktives Leben in der Lebensmitte, körperliche Bewegung, die Förderung einer guten psychischen Gesundheit und die genaue Beobachtung von kardiovaskulären Risikofaktoren [wie] Bluthochdruck und Hyperglykämie“.